Zuger Press     Montag 2. Dezember 1996

Die Illustratorin Monica Verena keusch hat den Unicef-Adventskalender gemalt

Und hinter dem Bild wird´s bewegt


Ihre Zweizimmerwohnung im Fuchsloch in Oberwil ist zweckmässig eingerichtet: Das Wohn-zimmer ist zugleich Schlafzimmer, und im eigentlichen „Schlafzimmer“ ist ihr Atelier unter-gebracht. Monica Verena Keusch ist eben dabei, Zeichnungen für ein neues Kinder-Lieder-buch auszumalen. Die Bleistiftvorlagen auf Transparentpapier sind auf einem kleinen Leucht-pult entstanden, jetzt liegen sie neben den Wasserfarbtöpfen und –tuben auf dem grossen Pult mit Sicht auf die Toblerone-Blöcke und auf den winterlichen weissen Ennetsee. Miro-Drucke und Palmenblätter zieren die Wände, Schalen mit Meeresschnecken den Tisch vor der Wohnküche: Souvenirs an Barcelona, wo die Illustratorin acht Jahre gelebt hat.
„Es hat immer eine Diskussion in meiner Familie gegeben, woher wir stammen würden – Schweizer sind wir nicht, schon vom Temperament her“, holt sie aus. Schon als Kind habe sie immer davon geträumt nach Spanien zu gehen. Sevilla kam in Frage, wo sie eine Zeitlang Spanisch lernte. Madrid, das ihr zu abgeklärt, zu sehr von Geschichte gezeichnet erschien. Also Barcelona, die Stadt der Avantgarde, der aktuellen Kunst, wo alle berühmten Illustratoren Spaniens wirken, wo die Verlage residieren. Dort an der Akademie, setzte sie ihre Studien fort, die sie an der Kunstgewerbeschule Zürich begonnen hatte, als Künstlerin und Werklehrerin.
Aber angefangen hatte alles ganz anders. In früher Kindheit nämlich. Lange vor der Schule hatte Monica Keusch gezeichnet. In der Primarschule liess sie sich die Spontanität nehmen, und ihr Bruder konnte sowieso alles besser. Ein Himmel hatte blau zu sein und nicht vielfarbig.

„Sprachrohr“ Zeitung


Erst mit 20, als ihr der Vater einen Aquarellkasten schenkte, fand sie zur Fortsetzung. Sie wurde Kindergärtnerin, erfand Geschichten, um ihren Kindern Situationen nahe zu bringen, Inhalt zu vermitteln. Dafür suchte sie eine Art grösseres „Sprachrohr“: Sie illustrierte die Geschichten mit farbigen Zeichnungen und Gouachen. „Das Echo der Eltern darauf war extrem gut“, erinnert sie sich. Der drang sich zeichnerisch auszudrücken, wurde schliesslich übermächtig und liess ihre Unsicherheit schmelzen. Mit 29 bewarb sie sich in Zürich und bestand die Prüfung sowohl als Werklehrerin und als Gestalterin. „Damals habe ich eine Buchseite meines Lebens umgeblättert“, sagt sie. Ein treffendes Bild, denn um Buchseiten sollte es  bei ihrer Arbeit bald  handeln. Bis 1995 sagte sie dem Kindergarten ade.
In Spanien, wo sie nicht nur zeichnete, radierte und illustrierte, sondern auch eine vierjährige Keramikausbildung anpackte, konnte sie 1990 ihr erstes Buch veröffentlichen. Eine Geschichte für Kinder im Lesealter über seltsame Inselbewohner, die immer das Gegenteil dessen sagen, was sie denken. Damit sind sicher die Eltern gemeint? „Genau!“ lacht sie. Monica keusch zeigt mir eine Serie von düsteren Schwarz / Weiss Gouachen, weiss überhöht, vor denen übermütige Kreidefiguren ihr Unwesen treiben. In der Folge illustriert sie ein Dutzend Kinderbücher, teils mit eigenen Texten, aber auch Sprachbücher und Konsumentenschutzbroschüren.
Eigentlich ging es ihr gut in Andalusien. Und doch überlegte sie es sich. Denn: „Vom Illustrieren allein kann dort niemand leben, die meisten  geben Schule oder haben einen Zweitberuf.“ Für „Monica Verena“ wie man sie in Spanien nennt, für sie als Ausländerin war dies kaum möglich. Alle sprechen sie dort Catalan, dafür reichen ihr Sprachkenntnisse nicht aus. Zudem ging ihre langjährige Beziehung auseinander. Deshalb entschloss sie sich vor zwei Jahren zur Rückkehr nach Zug. „Es war eine kopflastige Entscheidung, der Bauch hinkte eher hinten nach“, sinniert sie. Aber sie bereute es nicht. Sie konnte ihr Studio in Barcelona behalten und hatte weiterhin Aufträge aus Spanien. Natürlich habe sie Angst gehabt, dass sie hier nach acht Jahren vielleicht mühe heben würde, eine Kundenkreis aufzubauen. Wohl hatte sie bereits ein SJW Heft illustriert, ein Heft mit Hexengeschichten, aber sonst kannte sie hier niemanden.

Comeback geschafft


Doch es kam gut: 1993 konnte sie für UNICEF eine Greeting Card gestalten, was zwar kein Geld brachte, aber Ansehen. Und seit 1995 hilft ihr ein Teilpensum im Kindergarten über die Runden. Die Unicef war es auch, die sie vor kurzem beauftragt hat, den diesjährigen Adventskalender für die Schweiz zu zeichnen. Vorgegeben war die Grundidee: Ein Haus in märchenhafter Umgebung. Hinter diesem Bild sollte ein zweites mit belebten Szenen sichtbar werden. Der Kalander hat nämlich keine Fenster zum öffnen, sondern wird mit jedem Tag ein Stück entblättert. Hinter den geschlossenen  Fenstern,  auf der menschenleeren Strasse werden dann Figurengruppen sichtbar. Zu jedem so erschlossenen Bildausschnitt gibt es eine Geschichte, einen  Hinweis, ein kleines Rätsel, die in einem Textbüchlein beigelegt sind. Die Auflage beträgt 3000 Stück, 900 wurden in der Westschweiz, 1600 in der Deutschschweiz bereits abgesetzt. Der Kalender wird Unicef Spendern angeboten, ist aber auch im Handel erhältlich
Monica Keusch lässt mich einen Blick in ihre Mappe werfen.  Da ist die Geschichte der kleinen Welle, die sich im Meer langweilt und dann in ein Delfinbassin gerät und mit dem Delfin in s offene Meer ausbüxen kann: expressive Strichführung, lebendige Aktion, wechselnde Perspektiven.
Oder das Kinderbuch über ein Mädchen, das den Mondzyklus beobachtet. Und die Elefantengeschichte, preisgekrönt 1993, die Geschichte einer Freundschaft zwischen Elefant und Maus: extreme Perspektivenwechsel sorgen für Spannung. Und hier: wieder ein Elefant, klein wie eine Marienkäferchen diesmal, beide entdecken sie gemeinsam seltsame Monstern:  Menschen nämlich. Und da ist die Geschichte der Haustiere, die sich vernachlässigt fühlen und nicht wissen, was los ist (es ist ein Baby im haus).
In Spanien schätzt man Geschichten, die nicht von Tiefe und Moral triefen, die von einer gewissen Unbeschwertheit, auch von Nonsens gezeichnet sind, erklärt „Monica Verena“. Sie Hoffe, dass sie ein wenig von dieser Unbeschwertheit habe mitnehmen können. „Wir suchen immer eine Moral, einen Sinn – eine Kindergeschichte ist aber oft nicht viel mehr als eine gut erzählte Geschichte.“
Adrian Hürlimann
Der Unicef – Adventskalender ist in der Papeterie Walter am Kolinplatz Zug erhältlich. Preis 28 Franken.